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Zwischenstand nach dem 1. Tag der DJEM


Nach zwei gespielten Runden sind Ivan Chugunov (U12) und Paulina Stasaitis (U12w) noch verlustpunktfrei.
Dabei musste Ivan in seiner ersten Runde einem bösen Schrecken entkommen, nachdem er durch eine Fesselung eine Qualität verloren hatte.
Ivan
Im ausgeglichenen Endspiel trieb er unermüdlich seine verbundenen Freibauern nach vorne und triumphierte in seiner Auftaktrunde.
Ivan1
Links war noch alles gut, doch dann setzte Ivan zu 21.Dxc5?? Dxc5+! 22.Txc5 Lb6! an und verlor wegen der Fesselung seine Qualität auf c5, immerhin konnte er den Turm nämlich noch decken mit 23.Sa4 Lxc5+ 24.Sxc5 usw.
Rechts hat er sich schon wieder ein klein wenig zurückgekämpft. Wichtig war hier sein Gespür, mit 41.Le3 besser mal das Vormarschieren des potentiellen Freibauern f5 mit 41.Le3 zu unterbinden und später noch nach 41....gxh3 42.gxh3 Tf8 diesen nun gebildeten Freibauern mit 43.Lf4+ zu blockieren. Läufer sind zwar nicht die stärksten Blockadefiguren, aber dem schwarzen Turm f8 werden gleichwohl einige PS genommen.
Ivan 2
Noch weiter später erarbeitete sich Ivan diese linke Stellung, wobei den Kommentatoren IM Christof Sielecki (2430 ELO) alias Chessexplained und auch bekannt durch seine Chessable-Tätigkeit und Florian Kugler (2230 ELO) nicht so recht klar war, wohin der schwarze Springer weichen sollte. Die Stellung ist bereits ausgeglichen, aber für Schwarz schwieriger zu spielen, Weiß müsse ja nur seine Bauern pushen.
Rechts dann der letzte Fehler der Partie. Schwarz am Zug bekam es mit der Panik zu tun. Im Glauben, dass ihn die weißen Freibauern überlaufen, zog dieser ganz schwach 57...Kc8, eine typische sich-selbst-erfüllende Prophezeiung, denn jetzt wäre neben Ivans 58.Lxe5 auch 58.c6 klar gewonnen für Weiß.
Also sind mal eben die Leser gefragt, wie Schwarz im rechten Diagramm die Stellung richtig behandeln hätte sollen. Auflösung dann in unserem nächsten Bericht.

In der 2. Partie lief es lange gar nicht rund für Ivan. Er verlor schnell einen wichtigen Zentrumsbauern. Aber seht selbst.
Ivan3
Weiß hatte in einem Schwerfiguren-"Endspiel" bzw. -Mittelspiel, da das Mattpotential erheblich ist, drei Bauern mehr. Schwarz könnte inzwischen aufgeben, aber Ivan probierte noch etwas...
Im rechten Diagramm ist der Fehler soeben begangen worden. Weiß zog zuvor 30.Dh7-g6+??, worauf Ivans 30...Kg4-f3!! einfach gewinnt. Jetzt wird der weiße König mattgesetzt. Es gibt diese sensationellen Königsmärsche übers ganze Brett, um als weitere Hilfsfigur den Gegner mattzusetzen. Das prominenteste Beispiel lieferte wohl der Brite Nigel Short, aber in jüngster Zeit gelang das Kunstwerk auch dem Tschechen David Navara. Gravierender Unterschied: bei ihnen gelang dies aus der Seite des Stärkeren, sie standen bereits dominant. Ivan hingegen mobilisierte seinen König notgedrungen in klarer Verluststellung. Wir fragen ihn heute mal, welchen Vertrag er mit Caissa vereinbart hat. Der Rest der Partie: 31.Te3+?! Dxe3 (einziger legaler Zug) 32.fxe3 Tc1#.

Jetzt aber zu Paulina.
Paulina
Sie gewann die Auftaktrunde überzeugend, ihre Gegnerin stellte einfach zu viel Material ein. In der zweiten Runde folgte mit der starken Karlsruherin Mara Haug ein Schwergewicht, war diese doch schon bei einigen Deutschen Jugendturnieren erfolgreich am Werke.
Paulina 1
Paulina hatte Weiß und es begann im Londoner System damit, dass sie sich schwer tat, nach 3...Db6 mit dem angegriffenen Bauern b2 richtig umzugehen. Sie entschied sich für 4.Dd2?!, doch dort ist die Dame später angreifbar durch ...Se4 und sie versperrt dem Springer b1 das Feld d2. Man möchte im Grunde nie b2-b3 als Reaktion auf ...Db6 spielen, eine wichtige Regel! Weiß hätte als Kandidatenzüge vor allem 4.Sd2 oder 4.Dc1 gehabt. Nach c2 gehört die Dame nicht, weil sie an die Deckung des b2-Bauern gebunden ist und daher mit späterem ...Lf5 mal böse überrascht werden könnte. Auf c1 hat sie im Vergleich dazu eine viel höhere Stabilität (= Nicht-Angreifbarkeit). 4.Db3?! gefällt wegen 4...Dxb3 5.axb3 cxd4 6.cxd4 nicht, die Konsequenz wären Doppelbauer-Isolani auf der b-Linie gewesen. Ein Leitmotiv des Damenbauernspiels, in welchem ...Db6 vs. Db3 ein Dauerbrenner ist.
Kommen wir zum rechten Diagramm: Paulina zog soeben 6.g3? und verteidigt sodann eine Ruine. Ihre Stellung ist voller weißer Felderschwächen, da sieben ihrer Bauern auf schwarzen Feldern stehen. Der a-Randbauer interessiert dann auch nicht mehr. Schwarz hätte hier mit ...Se4 und ...g5, quasi egal in welcher Reihenfolge, in Vorteil kommen können. Doch Mara ist erst einige Züge später mit ihrem Springer f6 auf den Stützpunkt e4 rein geklettert, als es schon bessere Alternativen gab...
Paulina 2
Im linken Diagramm geschah soeben 10.Sxd4 und hier griff Paulinas Gegnerin mit 10...Sxd4? fehl. Nach 11.exd4! Le7 hat Schwarz nur ein Tempo verloren und das weiße Zentrum wieder aufgewertet, nachdem zuvor Paulina dieses mit 9.dxc5 Lxc5 aufgegeben hat.
Im rechten Diagramm spielte Mara gerade 14...Lg5?!. Vorzuziehen war eine Neuausrichtung des Springers via 14...Sd6 nebst ...Sc4. Doch jetzt zeigte Paulina ihre Klasse, indem sie die Initiative mit 15.f3! Sd6 16.Lxd6! Dxd6 17.f4! Le7 18.g4! übernahm. Vielen Spielern im 2000er-DWZ-Bereich wäre es nicht einfach gefallen, sich vom Läuferpaar zu trennen. Paulina erkannte, dass sie mit 18.g4 fast den Läufer f5 gewinnen könnte. Es verbot sich also 18...Lg6?? wegen 19.f5 und 1:0. Das sah auch Mara und musste notgedrungen mit 18...Lxb1 19.Taxb1 ihr eigenes Läuferpaar halbieren. Resultat: ungleichfarbige Läufer und hier mögen zwar die Endspiele ein gewisses Remispotential haben, aber wir sind im Mittelspiel und Weiß hat mit der beeindruckenden Bauernphalanx f4-g4 jede Menge Angriffspower und hier gilt die Regel: Ungleichfarbige Läufer bevorzugt der Angreifer!
Paulina 3
Dies war wohl auch Mara bewusst und so reagierte sie dynamisch, bevor es zu spät sein würde mit 19...f5??. Warum ist ...f5 so ein grober Schnitzer, es bremst doch die weiße Bauernphalanx? Nun gut, der weiße Angriff wird noch ein paar Tempi benötigen, das heißt Schwarz sah vielleicht die Probleme auftreten, aber sie hatte noch ein wenig Zeit für drastische Maßnahmen. f5 greift einen einmal gedeckten Bauern g4 an, aber schwächt rapide den Bauern e6, welcher fortan rückständig ist. Wie Schwarz diesen verlöre, fiele der Bauer d5 als blockierte Isolani auf, welcher mit Lxd5+ fiele, was weiter eine Läufergabel auf König g8 und Bauer b7, vielleicht sogar auf Turm a8 darstellte. Und genau diese Aneinanderreihung an positionellen wie taktischen Motiven hat Paulina mustergültig in ihren Sieg umgemünzt: 20.Tbe1! Lh4 (greift die Qualität an auf e1) 21.Dxe6+! (Zwischenschach) 21...Dxe6 22.Txe6 Tad8 (Rettung eines längst verlorenen Bauern d5) 23.gxf5 Txf5 und mit 24.Te5! sind wir im rechten Diagramm angekommen. Weiß frühstückt einfach den d5-Bauern. Nach 24...Txe5 25.fxe5 Le7 26.Lh3 Tf8 27.Le6+ Kh8 28.Lxd5 hatte Weiß zwei Bauern mehr, aktivierte ihren König und gewann schnell. Dass Mara auf e5 die Türme tauschte, sorgte für weiße verbundene Freibauern. Hätte Mara 24...g6 probiert, wäre nach 25.Lh3 Tff8 26.Txd5 Txd5 27.Le6+ Kg7 28.Lxd5 der Bauer zwar auch gefallen, aber Weiß hätte noch ein bisschen Technik für den vollen Punkt benötigt, weil sie sich mit dem f4-Isolani hätte beschäftigen müssen. Ein Verständnis für die Bauernstruktur und Bauernschwächen zu haben oder zu entwickeln, ist also in diesen Altersklassen essentiell.

Nächste Runde ist die dritte und diese findet um 14:30 Uhr statt. Wenn ihr bestimmte Wünsche habt, wessen Partie ich mal näher beleuchten soll, schreibt mir bitte an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. und ich werde sehen, was ich machen kann. :)